Nach § 147 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) ist der Verteidiger befugt, „die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.“ Dieses Recht stellt ein elementares Verteidigerrecht dar und steht nur dem Verteidiger selbst, nicht hingegen dem Beschuldigten zu. Das Recht des Strafverteidigers auf Akteneinsicht soll gewährleisten, dass die Waffengleichheit im Strafverfahren hergestellt und damit den Grundsätzen des „fair trials“, eines fairen Verfahrens entsprochen wird. Es handelt sich um einen „echten“ Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen und nicht lediglich um eine Ermessensentscheidung der Ermittlungsbehörden. Indes kann der Zeitpunkt der Akteneinsicht nach § 147 Abs. 2 StPO beim Vorliegen besonderer Gründe verschoben werden.
Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 StPO im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren liegt grundsätzlich in der Hand der Staatsanwaltschaft als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ (§§ 160, 161 StPO). Für das Steuerstrafverfahren ist dieses Ermittlungsmonopol gemäß § 386 AO eingeschränkt, d.h. bei dem Verdacht einer Steuerstraftat tritt die Finanzbehörde als Ermittlungsbehörde an die Stelle der Staatsanwaltschaft und nimmt im Ermittlungsverfahren deren Rechte und Pflichten wahr (§§ 386 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 399 Abs. 1 AO). In ihrer Funktion als Strafverfolgungsbehörde handeln die Finanzämter als „Steuerstaatsanwalt-schaften“. Innerhalb des Finanzamts werden mit dieser Aufgabe organisatorisch die Straf- und Bußgeldstellen (StraBu- oder BuStra-Stellen) betraut.
Demgegenüber werden die Dienststellen der Steuerfahndung als „Steuerkriminalpolizei“ und Vollzugsorgan für die Straf- und Bußgeldstellen tätig. Ihre Beamten sind „Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft“ (§ 404 AO) und haben im Strafverfahren wegen Steuerstraftaten dieselben Rechte und Pflichten, wie die Behörden und Beamten des Polizeivollzugsdienstes nach den Vorschriften der Strafprozessordnung. Über das Vorliegen der in § 147 Abs. 2 StPO aufgeführten Gründe bestehen zwischen Verteidigung und Ermittlungsbehörden naturgemäß unterschiedliche Auffassungen.
Wird der Antrag des Verteidigers auf Akteneinsicht im laufenden Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft bzw. der StraBu versagt, ist dies grundsätzlich nicht gerichtlich überprüfbar.5) Nur in drei Fällen kann gemäß § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 161a Abs. 3 Satz 2 bis 4 StPO beantragt werden:
– die Akteneinsicht wird auch hinsichtlich der Aktenbestandteile nach § 147 Abs. 3 StPO verwehrt,
– der Beschuldigte befindet sich in Haft,
– die Staatsanwaltschaft hat den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt.
Über diesen Antrag entscheidet gemäß § 147 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 161a Abs. 3 Satz 2 StPO das Landgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat. Die Ablehnung der Akteneinsicht ist eine Prozesshandlung im laufenden Ermittlungsverfahren, die auch nicht nach den §§ 23 ff. EGGVG justiziabel ist. Ist das Strafverfahren durch eine verfahrensbeendende Entscheidung wie den Einstellungsbeschluss nach § 170 Abs. 2 StPO erledigt, stellt sich die Frage, ob der Akteneinsichtsantrag auf dem Finanzrechtsweg weiter verfolgt werden kann.
Diese Frage beantwortet § 33 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach ist der Finanzrechtsweg gegeben „in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden.“
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-789X.2005.11.01 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-789X |
Ausgabe / Jahr: | 11 / 2005 |
Veröffentlicht: | 2005-11-01 |
Seiten 309 - 312
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